Epoxidharz — Aushärtung, partielle Diffusionskontrolle
Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion, die von mehr als einem Reaktanten eingebracht wird, wird durch zwei Stufen geregelt:
1. Der Geschwindigkeit der Diffusion aller Reaktanten (gekennzeichnet durch Kdiff),
2. Der Geschwindigkeit der chemischen Reaktion (gekennzeichnet durch Kchem).
Die effektive Reaktionsgeschwindigkeit ist der geometrische Mittelwert beider Geschwindigkeitskonstanten:
1/Keff = 1/Kdiff + 1/Kchem (Rabinowitch-Gleichung).
Es ist offensichtlich, dass Keff gleich Kchem ist, wenn Kdiff >> Kchem zutrifft. Daher wird die Wirkung der Diffusionskontrolle größtenteils nicht berücksichtigt. Ist die Reaktionstemperatur nahe der oder kleiner als die Glasumwandlungstemperatur, ist ein starker Anstieg der Ionenviskosität zu beobachten; das zu untersuchende Material verglast. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität der Reaktanten ist der Aushärteprozess diffusionsgesteuert und Kchem >> Kdiff trifft zu.
Alle Berechnungen, Modellierungen, Anpassungen und Vorhersagen für diese Applikation werden in der NETZSCH Kinetics Neo-Software durchgeführt.
Abhängigkeit der Glasumwandlungstemperatur vom Reaktionsgrad für das System 2,2¥,6,6¥-Tetrabrom-bisphenol-A-diglycidylether (RUETAPOX VE 3579) + 5 % Zn(OCN)2 [Flammersheim, Opfermann: Thermochim. Acta 337(1999)141]
Die Temperaturabhängigkeit von Kchem wird mittels der Arrhenius-Gleichung berechnet. Da Kdiff umgekehrt proportional zur Viskosität ist, wird dessen Abhängigkeit von der Temperatur genutzt. Ist (a) die Grundlage der Analyse der DSC-Messungen, dann wird die Glasumwandlungstemperatur und ihre Abhängigkeit vom Reaktionsgrad als maßgeblicher Wert für die Viskosität eingesetzt. Gemäß eines speziellen Vorschlags von Wise [C.W.Wise, W.D.Cook, A.A.Goodwin: Polymer 38 (1997) 3251] wird die Diffusionsgeschwindigkeit mittels einer modifizierten Williams-Landel-Ferry (WLF)-Gleichung berechnet.
Isotherme Vorhersagen für Temperaturen unterhalb der Glasumwandlungstemperatur Tg = 165 °C. Der Anstieg des Reaktionsgrades fällt ab, wenn die Glasumwandlungstemperatur die Reaktionstemperatur (siehe folgende Abbildung) erreicht. Ohne Anwendung der Diffusionskontrolle oberhalb von 120 °C wäre die vollständige Konversion bereits nach 60 min erreicht.
Diese Information wird anhand von Folgendem, einer Simulation für die Heizrate von 0,2 K/min, verständlich: Die Glasumwandlungstemperatur erreicht die Reaktionstemperatur nach 2 Stunden. Von hier bis zu einer Reaktionszeit von 12 Stunden treten so viele Reaktionen auf, dass der Anstieg der Glasumwandlungstemperatur dem Anstieg der Reaktionstemperatur entspricht. In diesem Bereich ist die Reaktion diffusionskontrolliert.
Dynamische Vorhersage für eine Heizrate von 0,2 K/min. Die Glasumwandlungstemperatur erreicht die Reaktionstemperatur nach 6 Stunden. Das DSC-Signal bricht bis auf einen konstanten Wert zusammen. Nach 12 Stunden nimmt die Glasumwandlungstemperatur Tg weniger als die Reaktionstemperatur zu. Das System stoppt die “Verglasungs-”Bedingungen.